Eigentlich ist der Tag heute gar nicht so schön wie der gestern", denke ich als ich morgens aus dem Fenster meines Zimmers in unserm Tafli schaue. Der Himmel ist bedeckt und es nieselt mal wieder
etwas. Auch ist es in den letzten Tagen schon etwas kälter geworden. Ein klares Anzeichen dafür dass der neue Monat begonnen hat. Bei uns gibt es nur sieben Monate statt der zwölf bei euch. Dafür
beginnt bei uns mit jedem Monat auch eine neue Jahreszeit. Der Monat, der gerade begonnen hat wird "Tinaj Soy" genannt. Das heißt in eurer Sprache so viel wie „kleine Sonne“. Im Volksmund wird
die Jahreszeit auch "Müdigkeit" genannt. In diesem Monat wird es wie gesagt merklich kälter und es gibt viel Wind. Anschließend kommt der Winter mit eisigen Temperaturen und mehr Schnee als ihr
euch denken könnt.
Träge und schlapp klettere ich wieder in mein Bett und kuschele mich richtig ein, als ich die Stimme von Timon, meinem Vater aus der Küche höre "Lynn?". "Ja, hier" antworte ich und kann mit ein
Gähnen dabei nicht verkneifen. Timon betritt mein Zimmer. "Bei den Göttern !", ruft er laut, "Bist du etwa krank?". "Nee wieso das denn?", frage ich und richte mich im Bett auf, "habe ich
vielleicht lauter rote Punkte im Gesicht?". "Nein.", antwortet Timon knapp. "Grüne oder blaue?", frage ich fort und kann mir ein grinsen dabei nicht verkneifen. "Also,", fährt Timon fort,
"solange ich dich kenne ist mir noch kein wirbeliger Wirbelwind begegnet als du und du liegst hier im Bett um diese Zeit.". "Ach so.", sage ich und lege mich wieder hin, "Bei dem Wetter war mir
eher nach Bett zumute".
"Aha. Seit wann macht dir denn so ein bisschen Regen etwas aus?", fragt Timon während er zum Fenster schlendert und hinaus sieht. "Der ist auch schon vorbei", fügt er hinzu. "Echt?", frage ich
und stehe auf um auch hinaus zu sehen. "Tatsächlich", erkenne ich und schlagartig bessert sich meine Laune. Timon grinst mich nur an. "Was?", frage ich. Timons grinsen wird immer breiter.
Verwundert frage ich mich was er wohl hat. "Wolltest du heute nicht in die Stadt reisen und dort einige Kräuter verkaufen?", hake ich nach. "So ist es.", antwortet er, "Und ich dachte mir
vielleicht hast du ja Lust mit zu kommen". "Ich darf mit!?", rufe ich laut. In der Stadt war ich noch nie, ich kenne sie nur aus den Erzählungen meines Vaters und denen des Dorfältesten. "Na,
sonst würde ich ja wohl nicht fragen", bekomme ich von ihm zu hören. "Wahnsinn.", schießt es aus mir heraus, "Wann wolltest du los?". "Wie wäre es mit... lass mich mal überlegen...jetzt?", sagt
Timon und legt dabei wieder sein breites Grinsen auf.
Ich springe an die Waschschüssel und beginne mit der Morgenwäsche. "Keine Eile.", sagt Timon, "Hir wird auch noch einen Moment später da sein".
Hir ist die Stadt in die wir reisen wollen. Nach dem was ich weiß liegt sie auf einer Insel mitten im Wald am Rinda Fluss.
"Wie lange werden wir brauchen?", frage ich als ich mich eilig anziehe. "Wir werden den ganzen Tag fliegen und erst am Abend in Hir ankommen.", erklärt Timon. "So weit", sage ich erstaunt, "das
hätte ich nicht gedacht". "Doch, doch", antwortet Timon, "wir werden im Wald bei Hir bei Freunden übernachten und morgen in die Stadt gehen".
Schnell packe ich meine Beuteltasche mit einigen wichtigen Dingen wie Lichterstaub und etwas Proviant während Timon unser Tafli verlässt.
Auch ich trete hinaus. So richtig schön ist das Wetter nicht, aber der Regen hat tatsächlich aufgehört - oder zumindest Pause gemacht.
Auf der Lichtung vor unserem Haus wartet Timon schon, schwer beladen mit seinen Reisetaschen voll mit Kräutern, die er zuvor in unseren Wäldern gesammelt hat. Dann machen wir uns auf den Weg. Wir
folgen zunächst dem Fluss der an unserem Dorf vorbei fließt nach Norden. Vor lauter Aufregung fällt es mir Anfangs schwer gerade aus zu fliegen, doch nach einiger Zeit schwindet die Aufregung und
ich beginne die Reise zu genießen.
Stunden vergehen und ich bin nun soweit nördlich wie ich nie zuvor gereist war. Gleichmäßig surren unsere Flügel während der Fluss unter uns dahin gleitet.
Nun teilt sich der Fluss in mehrere kleinere Arme auf und je weiter wir denen folgen, desto zierlicher aber vielzahliger werden diese kleinen Flussärmchen.
Dann irgendwann ist das Wasser unter uns fast weg.
"Wir sollten eine kleine Pause machen.", sagt Timon und landet. "Wo ist der Fluss hin?", frage ich und schaue mich um. Timon lacht laut. "Jeder Fluss muss irgendwo entstehen", sagt er, "unser
Fluss bildet sich aus vielen kleinen Waldbächen, die zusammen fließen. Hier siehst du einen davon".
Wir ruhen uns etwas aus und stillen unseren Durst an dem glasklaren, kühlen Nass das sich schlängelnd durch den Wald in Richtung Süden zieht.
Nach einiger Zeit geht unsere Reise weiter. Nun fliegt Timon direkt nach Osten. Wir Fusnar können die Himmelsrichtung auch ohne Kompass gut erkennen, denn zum einen sind wir es gewohnt draußen zu
sein und zum anderen kann man an den Moosen, die an den Bäumen emporwachsen auch die Himmelsrichtung ablesen.
Wieder vergehen einige Stunden. So langsam wird das fliegen für mich anstrengend und Timon gewinnt immer mehr an Abstand zu mir. "Na, geht es noch?", fragt Timon der mein Zurückfallen bemerkt
hat. "Ja, ja", sage ich etwas prustend und bemühe mich ihn wieder aufzuholen.
Schlagartig endet der Wald und wir fliegen auf eine weite Graslandschaft hinaus. Viele Blumen stehen hier und Schmetterlinge tanzen zwischen den Blüten umher. Seichte Hügel sind zu sehen auf
denen sich hier und da kleineres Buschwerk oder auch mal ein Baum verirrt hat.
Je weiter wir fliegen desto windiger wird es. Im Wald schützen die Bäume vor dem Wind, doch hier...
Dann vernehme ich ein rauschen, das immer lauter wird. "Was ist das?", frage ich. "Das, mein Kind ist der Rinda Fluss. Warte nur ab, gleich wirst du ihn sehen", sagt Timon und wir fliegen
weiter.
Als wir einen kleinen Hügel überqueren liegt er vor uns, der Rinda Fluss. "Wow", ist das einzige, was ich von mir geben kann. Der Fluss fließt rasend schnell und ist etwa ein tausend Meter breit.
Der Wind ist nun noch stärker und wir müssen uns richtig anstrengen um den Fluss zu überfliegen.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit haben wir es geschafft und landen dicht bei einigen Büschen auf der anderen Seite. "Wie kommen nur die anderen darüber?", frage ich Timon. "Wen meinst du mit die
anderen?". "Naja die Saratan und die Tisarah - die können doch nicht fliegen", frage ich fort.
"Im Süden gibt es eine große Steinbrücke. Wer da rüber will muss aber bezahlen", erklärt Timon, "und im Norden gibt es auch eine Brücke, die direkt zur Stadt Hir führt". "Was, man muss bezahlen
um über eine Brücke zu gehen?". Verwirrt schaue ich Timon an. "Ja, die Brücke muss ja auch ab und zu repariert werden. Du kannst dir bestimmt vorstellen dass dieser Fluss so manchen Stein mit
sich reißt", sagt Timon.
Mit einem Lächeln auf meinen Lippen stelle ich erneut mit Freude fest das wir Fusnar fliegen können.
Nach einiger Zeit brechen wir wieder auf. Meine Flügel fühlen sich zwar allmählich wie Bretter an, doch was bleibt mir anderes übrig. Als wir uns vom Fluss entfernen kann ich einen Wald vor uns
auftauchen sehen. Es ist ein Laubwald mit hohen und gerade gewachsenen Bäumen. Kaum sind wir in den Wald geflogen, lässt der Wind nach und das fliegen fällt mir sehr viel leichter.
Langsam setzt die Dunkelheit ein und es wird immer schwerer die Bäume zu erkennen, denen ich besser aus dem Weg fliegen sollte wenn ich nicht an einem solchen prallen möchte. "Wann erreichen wir
die besagten Freunde", frage ich Timon. "Bald", ist alles was ich als Antwort bekomme.
Timon hat Recht. Keine fünf Herzschläge später erkenne ich ein Tafli und dann noch eines. "So, wir sind da", sagt Timon als er auf einer kleinen Lichtung landet. Ich schaue mich um. Sehr viele Tafli kann ich nicht erkennen. "Das Dorf in dem wir sind scheint also sehr klein zu sein", sage ich zu mir selbst, als ich eine Stimme von der Seite höre. "Ahrat îo Geon". Ich drehe mich nach links und schaue in die leuchtend grünen Augen eines kleinen Fusnarmädchens mit pechschwarzem Haar und einem freundlichen Gesicht. "Hallo, ich bin Lyria", sagt sie, "und wer bist du?" "Ahrat îo Geon. Lynn ist mein Name", antworte ich und verneige mich leicht vor ihr. "Aha, dann bist du die Tochter von Timon. Ihr werdet schon erwartet", sagt sie.
"Timon? wo ist der eigentlich", frage ich mich selbst und schaue mich um, doch ich kann ihn nirgends entdecken. Etwas ängstlich beginnt mein Blick wild nach links und rechts zu pendeln. "Keine
Furcht Lynn.", versucht Lyria mich zu beruhigen, "Dein Vater und du, ihr seid heute Abend bei uns zu Gast. Komm ich bringe dich zu ihm". Lyria schwebt auf eines der Tafli zu und öffnet die Tür.
Ich folge ihr mit einem etwas mulmigen Gefühl. Im Tafli finde ich tatsächlich Timon, der mit einer Fusnarfrau, die wahrscheinlich die Mutter von Lyria ist, spricht. "Hallo, ich bin Anaé", sagt
die Frau und lächelt mich an, "Du bist bestimmt Lynn und vermutlich sehr erschöpft von der langen Reise. Ich habe dir in Lyrias Zimmer etwas zum Essen hingestellt und ein Bett gemacht." "Habt
Dank.", antworte ich, "Ihr sprecht für Wahr - hungrig und müde bin ich".
Lyria zeigt mir ihr Zimmer. Es ist meinem sehr ähnlich aber etwas größer. Zum Essen bin ich einfach zu müde. Viele Worte wechsle ich mit Lyria nicht mehr bevor mir die Augen zufallen.
"Guten Morgen, kleiner Sonnenschein". Timons Stimme holt mich aus den tiefen Träumen zurück in die Welt der wachen Wesen. Ich recke und strecke mich erstmal. Dann fällt mein Blick auf den Teller
mit Obst, den mir Anaé schon gestern bereitgestellt hatte. Ohne lange zu zögern greife ich zu und esse mich erstmal richtig satt - das tut gut.
Auch Lyria beteiligt sich an den herrlichen Früchten und wir plaudern ausgiebig darüber was sie so den ganzen Tag über macht und über das was ich so mache.
Als wir mit dem Frühstück fertig sind machen Timon und ich uns wieder auf den Weg. "Habt Dank für die Unterkunft.", sage ich zu Anaé als wir losfliegen, "Bestimmt sehen wir uns bald mal wieder.",
rufe ich dann Lyria noch zu während sie mir zum Abschied nachwinkt.
"Lyria möchte ich gerne mal wieder besuchen", sage ich zu Timon. "Meinetwegen gerne." lässt er verlauten.
Wir fliegen weiter durch den Wald. Bald ist ein fremdartiger Geruch wahrzunehmen und dann taucht eine riesige Mauer aus grauen Steinblöcken vor uns auf. Etwa fünf Meter ist sie hoch und sie
scheint kein Ende nehmen zu wollen. "Was ist das?", frage ich Timon erstaunt. "Das ist die Stadtmauer von Hir", antwortet er. Ungläubig sehe ich ihn an. Bei unseren Dörfern gibt es solche Mauern
nicht - jeder kann einfach jeder Zeit kommen und gehen wie es ihm gefällt. "Wofür braucht man die?", frage ich weiter. "Die Saratan, die wie du sicherlich weißt so ziemlich jede Stadt gebaut
haben, legen viel Wert auf Sicherheit und darauf auch mal alleine sei zu können, wenn sie es wollen. Außerdem sollen solche Mauern vor Angriffen der Hunark und anderer Gefahren schützen", erklärt
mit Timon. Soso, die Saratan mauern sich also gerne ein - das ist schon ein komisches Völkchen.
Wir fliegen einfach über die Stadtmauer hinweg und dann verschlägt es mir fast den Atem. Vor uns liegt eine Stadt die so riesig ist, wie ich es mir in den kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen
können. Hunderte von Häusern aus Steinen gebaut und mit braunen Holzbalken verstrebt tun sich vor mir auf. Die Häuser sind teilweise mehrere Stockwerke hoch und kleine, hübsche Gassen und Straßen
ziehen sich wie die Äste eines Baumes durch die Stadt.
In einiger Entfernung erkenne ich ein gigantisches Gebäude, das mit reichlich Türmchen und Steinfiguren verziert ist. Unten in den Straßen tummeln sich mehr Saratan als ich in meinem Leben jemals
vorher sah. Kutschen und Lastkarren poltern durch die mit Pflastersteinen belegten Wege.
"Und?", sagt Timon. "Wie viele Leute leben hier denn so?", frage ich während mein Blick noch versucht das andere Ende der Stadt zu erkennen. "Ach etwa zwei Tausend.", sagt Timon und scheint von
der Größe nicht beeindruckt zu sein. "Zwei Tausend?", wiederhole ich ungläubig. "Ja, für die Maßstäbe der Saratan ist diese Stadt klein", fügt Timon hinzu. "Klein?", sage ich mit zitternder
Stimme. So langsam zweifle ich an meinem Verstand. "Ja", antwortet Timon, "In Biya leben etwa fünfundzwanzig Tausend Leute". Das kann ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen wie so viele Leute
auf einen Haufen leben können.
"Na komm wir haben zu tun", fordert Timon mich auf ihm zu folgen während er vor mir herfliegt.
Scheinbar unendliche Häuser und Straßen gleiten unter uns her, als wir einen großen Platz erreichen, der anders aussieht. Während eben noch die Ziegelsteine der Häuserdächer zu sehen waren, sind
auf dem Platz lauter Tuchdächer zu erkennen.
Timon landet am Rand des Platzes und ich tue es ihm gleich. Nun zeigt sich unser Nachteil - wir sind halt sehr klein gemessen an den Saratan, die etwa zwei Meter groß werden. "Gib auf dich Acht
und bleibe dicht bei mir", sagt Timon als er unseren sicheren Standort am Rand des Geschehens verlässt und mutig auf den Marktplatz zugeht. Soweit mein Auge reicht ist der Platz voll mit Leuten
und voll mit Marktständen. Hier werden verschiedene Gemüse und Obstsorten verkauft, aber auch Fleisch und Waffen, Kleider sowie Rüstungen und lauter Dinge dich ich nicht kenne.
Timon geht entschlossen voran - er ist mit dieser Situation anscheinend vertraut.
Ich renne ihm hinterher um ihn ja nicht zu verlieren.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit kommen wir bei dem Gebäude mit den Türmchen und Steinfiguren an. Eine große und wunderschöne Marmortreppe ziert den Eingang des Hauses, dessen hölzerne Eingangstür
reich verziert und beschlagen ist. Timon stellt sich neben die Treppe und beginnt seine Reisetaschen zu entleeren. "Was ist das für ein Haus?", frage ich Timon. "Das..", Timon richtet sich auf
und schaut zu dem Haus auf, "das ist das Rathaus von Hir. Dort arbeitet der Stadthalter." Ich schaue ihn verwundert an. "Ein Stadthalter muss sich um alle Dinge kümmern, die notwendig sind um die
Stadt und deren Treiben aufrecht zu erhalten", fügt er hinzu. "Also ein Dorfältester", erkläre ich. "Ja, etwas ähnliches", lächelt Timon mir zu.
"Seid gegrüßt.", höre ich von hinten und drehe mich schlagartig um. Mein Blick fällt auf einen älteren Saratan in Lederkleidung, der sich die Kräuter ansieht, die Timon auf einer mitgebrachten
Decke ausgebreitet hat. "Habt ihr Weijaankraut?", fragt der Mann fort. "Oh ja.", antwortet Timon ihm, "für nur fünf Crey das Bündel". "Dann nehme ich zwei", sagt daraufhin der Mann und reicht
Timon einen blauen Kristall aus Glas - das sind Crey, das Geld mit dem wir bezahlen. Timon verpackt die Kräuter und gibt sie dem Mann.
Es vergeht nicht viel Zeit und alle Kräuter sind verkauft. Timon lächelt mich erneut an. "Und ist die Stadt so wie du sie dir vorgestellt hast?", fragt er mich. "Größer", antworte ich, "und
anders... mehr durcheinander aber auch hübscher als ich dachte".
"Wir werden morgen früh wieder zurück reisen. Noch haben wir etwas Zeit, die wir hier vertreiben können...wenn du magst...", sagt Timon.
"Klar mag ich", sage ich und freue mich auf all das was es hier noch zu sehen geben wird.
"Nun, Lynn, dann sollten wir uns zunächst eine Unterkunft suchen." beginnt Timon, "Und danach werde ich dir die Stadt etwas zeigen". "Warum eine Unterkunft suchen?", frage ich, "Wir können doch
im Wald übernachten, der die Stadt umgibt, oder?". "Ja, das könnten wir schon, aber zum einen sind uns in und vor allem um einer solchen Stadt nicht alle wohlgesonnen. Außerdem wollte ich dir ja
auch mal zeigen wie die anderen Völker so leben - es sei denn du möchtest das nicht", erklärt er mir.
Wir Fusnar wohnen normalerweise im Wald - wir sind es nicht gewohnt in Städten zu sein. Die meisten Fusnar bleiben in ihren Dörfern und abgesehen von einigen wenigen halten die meisten Fusnar
sich von den Städten fern. Nicht weil sie sich davor fürchten sondern weil ihnen die Städte nicht gefallen. Wir Fusnar sind halt sehr naturverbunden.
Ich überlege einen Moment lang ob ich die Stadt wirklich kennen lernen will. Dann packt mich aber die Neugier. "Hhmm. Also sehen möchte ich schon wie die Saratan so leben", antworte ich meinem
Vater.
"Nun, junge Dame so folgt mir zu den Zwillingen", fordert Timon mich auf und geht direkt auf den Marktplatz zu. Ich eile ihm hinterher - wohl bedacht ihn in dem Wirrwarr von Markständen, Kisten, Säcken und Personen die sich hier so herum treiben nicht zu verlieren. "Was für Zwillinge?", rufe ich ihm zu, doch er antwortet nicht. Es fällt mir schwer ihm zu folgen, doch er scheint sich da einen Spaß draus zu machen. Nach einiger Zeit haben wir anscheinend den Markplatz durchquert, denn vor uns sind keine Marktstände mehr zu sehen. Stattdessen tauchen zwei dicht beieinanderliegende Gebäude auf, die nahezu gleich aussehen. Beide sind aus großen Feldsteinen gebaut und mit dunkelbraunen Holzbalken verstrebt. Beide haben einen breiten und hohen Eingang der bestimmt drei bis vier Meter hoch ist und beide haben eine rot bemalte Eingangstür.
Über beiden Eingängen hängen hölzerne Schilder auf denen ein Krug und eine Flasche kunstvoll gemalt wurde. Daneben steht bei beiden "Die Zwillinge". "Ach das hast du gemeint", erkenne ich den Zusammenhang zu Timons Aufforderung vorhin. "Diese beiden Tavernen sind die bekanntesten von Hir.", beschreibt Timon, " Sie gehören zwei Hunarken, die Geschwister sind und wie der Name erwarten lässt sind es sogar Zwillinge. Dummer weise vertragen sie sich gar nicht und streiten sich um jeden Gast".
Ungläubig sehe ich vom linken zum rechten Eingang und wieder zurück. "Na, welchen sollen wir nehmen?", fragt Timon mich. "Ich weiß nicht.", antworte ich zögernd. Timon lacht nur laut und
geht in den linken Eingang hinein. Ich folge ihm unsicher. Im inneren der Taverne ist es ziemlich dunkel und es riecht stark nach abgestandenem Essen und Getränken. Wir erreichen den
Schankraum, an dessen Ende sich ein Tresen befindet, hinter dem ich eine ältere Hunarkenfrau erkennen kann. Diverse Sitzgelegenheiten und Tische befinden sich in dem Raum und an fast allen
Plätzen sitzen oder stehen Leute. Ich sehe Saratan, aber auch einige Tisarah und einige Hunarken, die sich in diesem Etablissement befinden. Die Hunark sind schon imposant, da sie sehr kräftig
gebaut sind und etwa drei Meter groß werden.
Timon erreicht den Tresen als einer der Gäste mit Getränken beladen vom Tresen aufsteht und klettert den hohen Stuhl empor. Ich folge ihm. "Zum Gruße!", ruft er der Hunarkenfrau entgegen, "Wir
suchen eine Bleibe für die Nacht". Die Hunarkenfrau schaut zu mir hinab, mustert mich kurz und hebt den Blick dann wieder zu Timon. "Ein Zimmer habe ich wohl noch.", klingt ihre tiefe und raue
Stimme, "Für nur fünf Crey ist es euer für die Nacht.". Timon scheint kurz zu überlegen ob er um den Preis noch feilschen soll und stimmt dann aber mit einem Nicken zu. "Oben, das zweite Zimmer
auf der rechten Seite", antwortet sie und Timon gibt ihr das Geld. Timon springt von dem hohen Tresen Stuhl zurück auf den Boden und wir gehen auf unser Zimmer.