Die Nachtwanderung

Also denkt daran, Kinder. Wir treffen uns hier am Dorfplatz bei Einbruch der Dunkelheit wieder. Jeder von euch soll sich einen Rucksack mitnehmen, und etwas zu trinken, denn wir werden wohl eine Weile unterwegs sein.", verkündet Oulana, meine Lehrerin stolz. Ich lausche gespannt ihren Worten - ebenso wie die anderen aus meiner Klasse auch, denn heute Abend findet ein besonderer Unterricht statt. Heute Abend bei Anbruch der Dunkelheit wollen wir nämlich eine Nachtwanderung unternehmen. "Wie ist das aufregend", sage ich zu mir selbst. "Ich kann es kaum erwarten.", höre ich Jül neben mir zustimmen. Auch die anderen in meiner Klasse können nur schwerlich stillstehen und zappeln aufgeregt hin und her während Oulana den Unterricht für heute Vormittag beendet.

Oulana ist meine Naturkundelehrerin - eigentlich ist sie eine ganz Nette Person - mal abgesehen davon dass ich neulich eine Strafarbeit von ihr aufgebrummt bekommen habe - aber das war wohl verdient. Während Oulana den Dorfplatz verlässt gehen Jül, meine beste Freundin und ich langsam in Richtung Fluss, denn dort wird die nächste Unterrichtsstunde stattfinden nämlich Zauberei - mein Lieblingsfach. Wir erreichen zusammen mit den anderen den Fluss unseres Dorfes wo Ethoon unser Lehrer für Zauberei schon wartet. "Ahrat îo Geon", begrüßt er uns indem er die Götter ehrt, "seid willkommen zu unserer heutigen Zaubereistunde.". "Guten Morgen", antworten wir alle im Chor und stellen uns herum Ethoon herum.


"Da ich erfahren habe, das ihr heute Abend eine Nachtwanderung machen werdet, habe ich mich dazu entschlossen euch heute bereits einen Zauber zu zeigen, der im Dunkeln sehr nützlich sein kann, der aber auch recht schwer zu schaffen ist. Also einen, der eigentlich erst im kommenden Schuljahr für euch dran wäre.". Erstauntes Murmeln und Raunen entflammt. Einige meiner Mitschüler sind darüber empört dass wir heute schon einen Zauber aus dem nächsten Schuljahr lernen - und mit Sicherheit auch schaffen sollen. "Das ist ja viel zu schwer",  "Unmöglich", "Das sollen wir schaffen", kann ich aus verschiedenen Richtungen hören während andere eher gespannt dem was da kommen wird entgegen schauen. "Super", "Na da bin ich ja mal gespannt", kann ich sie hören.


Ich bin auch eher gespannt auf das was uns da gezeigt werden soll. Jül hingegen schaut ängstlich aus, doch sie ist in Zauberei sowie so nicht so gut. "Das schaffe ich nie!", sagt sie zu mir mit Entsetzen in den Augen. "Warte es doch erstmal ab.", antworte ich ihr mit sanfter Stimme. "Du hast gut reden. Du bist in Zauberei ja auch ziemlich unschlagbar.", erwidert sie. "Ach was!", sage ich zu ihr und winke mit der Hand ab, "Vielleicht habe ich den Vorteil das Timon mir so einiges neben dem Unterricht beibringt und das Zauberei mein Lieblingsfach ist, doch auch ich muss die Zauber erst verstehen und lernen". In der Tat ist Timon, mein Vater ein sehr guter Zauberer, der zudem auch viele Heiltränke und solche Dinge kennt. Manchmal bringt er mir Sachen bei, die in der Schule nicht - oder noch nicht gezeigt werden.
Jül sieht aber nicht wirklich beruhigt aus und wuschelt sich vor Aufregung ihr schwarzes Haar durch. Das macht sie immer wenn sie aufgeregt ist.

"Ruhe bitte!", sagt Ethoon sanft aber bestimmt. "Bevor ihr befürchtet das ich unmögliches von euch verlange hört mir doch erstmal zu.". Er stellt sich dichter an den Fluss, so dass er nun alle sehen kann. "Das man mit den Worten: Mar scha erdas Rin - auf sehr einfache Weise ein schwaches Licht erzeugen kann sollte euch ja bekannt sein.". Fragend schaut er in die Runde und wendet sich dann an Nefaran, der rechts von ihm steht. "Nefaran, kannst du mir bitte, sozusagen als Wiederholung, diesen Lichtzauber zeigen?". Nefaran nickt ihm kurz zu. Dann beginnt er sich zu konzentrieren und leise zu flüstern. "Mar scha erdas Rin". Erwartungsvoll schauen alle Nefaran an, doch nichts passiert. Enttäuscht schaut er zu Ethoon. "Nicht so schlimm.", antwortet Ethoon mit sanfter Stimme, "Es kann dir helfen, wenn du bei dem Zauber die Augen schließt. Versuche es nochmal.". Wieder versucht Nefaran sich zu konzentrieren. Es reicht nämlich nicht einfach die Worte des Zaubers zu sprechen. Vielmehr muss man sich stark konzentrieren um einen Zauber auch wirksam zu machen. Diesmal schließt Nefaran die Augen und flüstert wieder die Worte. Applaus bricht aus als es um Nefaran wirklich schwach zu leuchten beginnt. "Gut gemacht.", stimmt Ethoon dem Beifall ein.

"Der Vorteil dieses Zaubers ist, dass er recht einfach ist, doch der Nachteil ist, dass dieses Licht auch von anderen gesehen werden kann. Wenn ihr alleine im Dunkeln seid ist das nicht schlimm, doch wenn ihr nicht gesehen werden wollt hilft euch dieser Zauber nicht.", erklärt Ethoon. Er ist für Fusnar Verhältnisse recht groß gewachsen, hat leicht rötliches Haar und schaut schon fast dürr aus. Ich mag ihn trotzdem sehr gerne. "Es gibt aber noch andere Zauber" , fährt er fort, "und einen davon will ich euch jetzt zeigen. Auch dieser macht ein schwaches Licht, doch es kann von anderen nicht gesehen werden - es sei denn jemand anderes hat selbst einen entsprechenden Aufdeckungszauber gesprochen.". Ethoon wartet einen Moment bevor er fortfährt.


"Die Worte müssen ebenso wie bei dem anderen Zauber auch langsam und konzentriert gesprochen werden...mar scha erdas linar qy cas visas cas mar cur op at viasas cas at mar curaan." Lautes durcheinander an Stimmen entsteht. "Ruhe!", befiehlt Ethoon knapp. Er muss den Zauber etwa zwanzig Mal wiederholen. Uns allen fällt es sehr schwer diese lange Formel zu behalten. Anschließend versuchen wir den Zauber, doch keinem scheint er zu gelingen. Entmutigt und erschöpft gebe ich nach dem sechsten Versuch auf. Du musst wissen dass das Sprechen von Zaubern uns viel geistige Kraft kostet und so endet diese Stunde für uns alle etwas erfolglos.

Die Schatten werden immer länger und die Sonne neigt sich langsam dem Horizont. Ich bin mittlerweile zu Hause in unserem Tafli und suche die Dinge zusammen, von denen ich glaube dass sie für die anstehende Nachtwanderung notwendig sind. So hole ich meinen kleinen Rucksack unter dem Bett hervor - den hat meine Mutter mir einst aus einem alten Kleid von ihr genäht. "So, was kann man denn noch brauchen..", frage ich mich selbst.
Nach einigem Überlegen fülle ich den Rucksack mit einem kleinen Trinkschlauch, den ich mit frischem Flusswasser befüllt habe, mein kleines Taschenmesser, einen langen Bindfaden und einige von Annus leckeren Keksen.
Zuletzt stopfe ich noch ein kleines Schächtelchen mit Lichterstaub hinein - mehr passt nicht.
Ich schaue aus dem Fenster und stelle fest, dass es Zeit ist um den Dorfplatz aufzusuchen. "Na, schon aufgeregt?", fragt Timon als ich gerade unser Tafli verlassen will. "Klar doch.", antworte ich prompt, denn bei Dunkelheit war ich noch nie im Wald - und da soll es doch wohl hingehen.

Eilig fliege ich direkt zum Dorfplatz. Natürlich ist Jül schon da...und einige andere auch. Ich lande direkt neben Jül. "Ahret, Lynn", begrüßt mich Jül, "von mir aus kann es losgehen". "Von mir aus auch.", stimme ich zu.
Langsam füllt sich der Dorfplatz bis alle von uns da sind. Zuletzt trifft Oulana ein. "Hallo zusammen.", begrüßt sie uns alle, "dann wollen wir mal.". Sie schaut in die Runde um festzustellen ob auch alle da sind. "Wir werden tief in den Wald fliegen. Ich werde vorneweg fliegen und Thea zuletzt. Wir beiden werden Fackeln tragen bis wir unser Ziel erreicht haben. Ich erwarte dass alle anderen zwischen uns bleiben.", bestimmt sie.
Dann geht es los. Jül und ich bleiben dicht beieinander. Durch die Fackeln können wir zwar sehen wo Oulana hinfliegt, doch sehr hell ist das Licht nicht und so erscheinen die Bäume und Sträucher in flackerndem, bizarrem gelbem Lichterspiel der Fackeln.

Nach einiger Zeit erreichen wir eine kleine Lichtung und alle landen auf dem Boden. Von dort aus gehen wir los. Unheimliche Geräusche dringen aus dem Wald zu uns. Eigenartiges Knarren und Knacken der Bäume, die sich im seichten Wind hin- und her bewegen. Angespannt durchschreiten wir den kleinen Pfad, der sich durch den Wald windet. Nachdem wir etwa eine Stunde lang gewandert sind taucht ein großer Schatten vor uns auf. Jül umfasst meine Hand und drückt sie fest. Beim Näherkommen erkenne ich vor dem sonst schon fast schwarzen Himmel die Silhouette eines Gebäudes, die zu einem Turm gehören könnte. In der Tat erweist sich unser Zielort als ein alter Turm, der einst aus großen Feldsteinen errichtet wurde und der seine Blütezeit schon lange hinter sich gelassen hat. Teile der Wände sind eingefallen und weisen dunkle Spalten und Öffnungen auf, die für das Licht undurchdringlich scheinen.

"Hier werden wir etwas bleiben.", lässt Oulana hören, "Wer will kann ja versuchen sich etwas Licht zu zaubern. Ihr könnt hier im den Turm herum spielen, doch geht nicht zu weit fort. Wir werden die Fackeln oben auf dem Turm anbringen, damit ihr sie auch von weiter weg sehen könnt. Unser Wald beherbergt zwar keine gefährlichen Tiere, doch seit auf der Acht, denn auch tiefstehende Äste oder ein nicht erkannter Kaninchenbau kann einem zum Verhängnis werden und schmerzvolle Stürze bewirken.", warnt Oulana uns.

Mit dieser Warnung hat sie bestimmt Recht. Jül zieht mich etwas zur Seite. "Wollen wir uns mal alleine etwas umsehen?", fragte sie mich. "In Ordnung.", stimme ich zu. Wir entfernen uns einige Schritte vom Turm. "Wo wollen wir hin?", frage ich Jül. "Warst du hier schon einmal? Ich kenne diesen Turm gar nicht", sagt Jül staunend. "Nein, ich kenne die Gegend auch nicht.", schließe ich mich an, "Ich schlage vor,  wir gehen etwas da lang.", sage ich und zeige in Richtung Norden. Wir umrunden den Turm etwas. Unbeholfen tapsen wir in die Dunkelheit. "Schuhuuu, schuhuu", ruft es plötzlich über uns und wir schrecken gleichermaßen zusammen. Sofort lasse ich mich auf den Boden fallen und reiße Jül mit. Alles ist wieder still... dann muss ich anfangen zu lachen. "Wieso lachst du?", fragt Jül. "Wir sind vielleicht Dummerchen. Das war eine Eule - ein Uhu oder so.", stelle ich fest. Nun lacht auch Jül.


Wir versuchen im Dunkel nach dem Übeltäter zu suchen, finden ihn aber nicht. Ich drehe mich um und sehe, dass wir die Fackeln auf dem Turm nur noch schwach sehen können. "Ich habe Lichterstaub dabei.", sage ich zu Jül und wende ihr meinen Rücken zu, damit sie in meinem Rucksack danach tasten kann. "Habe ich gleich.", sagt sie. Dann holt Sie den Wasserschlauch und das Kästchen mit dem Lichterstaub heraus. Jül dreht die Handfläche ihrer linken Hand nach oben und ich streue etwas Lichterstaub darauf. Dann tröpfele ich etwas Wasser darüber. Sofort beginnt der Staub zu leuchten und ein grünlicher Schein erhellt den Wald. Nun erkennen wir auch den großen Uhu, der über uns in einem hohen Laubbaum sitzt. "Hallo Uhu.", rufe ich ihm entgegen, doch er scheint mich nicht zu verstehen - wie auch.

Plötzlich schwingt sich der Uhu auf und fliegt davon. "So war das nicht gemeint.", sage ich verwundert, "Naja, vielleicht mag er das Licht nicht.". "Der kann im Dunkeln auf jeden Fall besser sehen als wir.", ergänzt Jül.
Geleitet von unserem Licht gehen wir noch etwas weiter in den Wald hinein.
Dann entdecken wir einige Mauerreste. "Vielleicht stand hier einst eine Burg?", gibt Jül fragend von sich. "Das vermag ich nicht zu beantworten.", sage ich. "Ich schaue mal da drüben.", sagt Jül und zeigt in Richtung eines Steinhaufens, der eine Art Brunnen darstellen könnte. "So sei es.", stimme ich zu. "Was ist mit dir?", fragt Jül nach. "Ich werde nochmal den Zauber von heute Mittag versuchen", sage ich und schließe die Augen. Dann versuche ich mich zu konzentrieren. Erneut spreche ich die Zauberworte. Langsam und ehrfurchtsvoll. Ich spüre wie die Kraft des Waldes in mich strömt, sich in mir ausbreitet und ich weiß, dass mir der Zauber diesmal gelungen ist.

Ich neige meinen Kopf nach oben und als ich die Augen öffne ergibt sich mir ein unglaubliches Bild. Ich kann die Bäume sehen, die Sterne und abertausende kleinster Teile - Mücken, Fliegen, Käfer, die auf den Bäumen krabbeln, Eichhörnchen, die in ihren Kobeln liegen, Vögel, die auf den Ästen sitzen... es ist überwältigend.
Langsam senke ich meinen Blick in die Richtung in die Jül verschwunden ist.
Etwas schemenhaft kann ich sie sehen, etwa zehn Meter von mir entfernt an dem eingefallenen Brunnen. Ihr warmer Körper hebt sich von der dunkleren Umgebung ab. Dennoch sehe ich sie nicht ganz so klar wie die Waldbewohner zuvor. "Das liegt vermutlich daran, dass es bei ihr heller ist.", stelle ich zu mir fest. Dann lasse ich meinen Blick in Richtung des Turmes gleiten. Selbst auf diese Entfernung kann ich die meisten meiner Klassenkameraden sehen und erkennen. Ein breites Grinsen macht sich in meinem Gesicht breit.

Dann drehe ich mich weiter und schaue nun in die Richtung, in die ich noch nicht geschaut hatte. Ein lauter, schriller Schrei ist alles, was ich dann noch von mir geben kann...bevor ich die Besinnung verliere.



"Lynn ! Lynn", höre ich eine dumpfe Stimme rufen. Dann fühle ich wie mich etwas im Gesicht berührt. Benommen öffne ich die Augen. Allmählich erkenne ich das Gesicht von Oulana, die sich über mich beugt. Ich liege auf dem Rücken mitten im Wald. Verwirrt schaue ich mich um. Die Mitschüler meiner Klasse stehen interessiert um mich herum. "Geht es dir besser?", fragt Oulana. "Ja, so langsam geht es wieder.", antworte ich. "Was war denn passiert, Lynn?", fährt Oulana fort. "Ich hatte den Zauber versucht, den Ethoon uns heute zeigte...und er gelang mir auch. Daraufhin konnte ich trotz der Dunkelheit gut sehen. Ich schaute zu Jül, die an dem alten Brunnen stand. Dann drehte ich mich zum Turm und sah dort unsere Klasse.", sage ich und mache dann einen Moment Pause bevor ich weiter erzählte. "Dann jedoch lenkte ich meinen Blick direkt in den Wald hinein...da stand..." "Was?", fragt Oulana erwartungsvoll.


"...da stand ein Wesen mit vier Armen!", erzähle ich weiter. Ein ungläubiges Raunen geht durch die Menge. "Leise!", zischt Oulana und schaut dann mich wieder an, "Fahre fort mit deinen Worten, Lynn". "Das Wesen war weiß wie der Schnee, der im Winter fällt und ein wenig kleiner als ein Hunark, es hatte keine richtige Nase und drei Augen. Es trug keine Kleidung". Meine Worte scheinen das einzige zu sein was überhaupt einen Laut erzeugt, so still ist es um mich herum. "War es ein Mann oder eine Frau?", fragt Oulana. "Ich weiß es nicht. Es sah weder nach einer Frau noch nach einem Mann aus.", gebe ich zögernd zu. "Sehr ungewöhnlich....", lässt Oulana leise von sich hören.

Weiter sagt sie nichts. Nachdem ich mich etwas ausgeruht habe, kehren wir in das Dorf zurück. Oulana sieht etwas bekümmert aus. Die anderen tuscheln vor sich hin. Ich kann zwar nicht ganz verstehen was sie sagen, doch ich meine dass sie mir nicht glauben. Jül hält natürlich zu mir. Sie stützt mich und bringt mich bis zum Dorfplatz, wo Timon und Annus - ebenso wie die Eltern der anderen warten. Oulana geht sofort auf Timon zu und redet mit ihm ohne dass die anderen etwas davon hören können.

Anschließend tritt Ethoon noch dazu und die vier unterhalten sich sehr angeregt.
Nach einiger Zeit werde ich von meinen Eltern Heim gebracht. "Was war das wohl, was ich gesehen habe?", frage ich meine Eltern. "Das, liebe Lynn erzähle ich dir morgen", erklärt Timon. "Du weißt es also?", hake ich nach. "Vermutlich.", antwortet er, "und wenn es das war, was ich denke, dann hat da jemand einen weiten Weg hinter sich".

Völlig verwirrt schaue ich ihn an. "Nun solltest du erstmal schlafen.", wirft Annus ein, "Morgen musst du nicht zur Schule - ich habe das mit Oulana geklärt".
Mit einem Kopf voller Fragen gehe ich ins Bett.
Auf der einen Seite bin ich stolz den Zauber geschafft zu haben, auf der anderen Seite ist da die Neugier zu erfahren was das im Wald wohl war, doch das erfahre ich heute nicht mehr.

Nach einer sehr unruhigen Nacht erwache ich am folgenden Morgen mit dem Gefühl als hätte ich gar nicht geschlafen.
Annus betritt mein Zimmer. "Guten Morgen, mein Schatz. Hast du gut geschlafen?", fragt sie freundlich. "Nein, Annus. Die Begegnung gestern hat mich ziemlich durcheinander gebracht.", antworte ich gähnend. Annus streicht mir durch das Haar. "Dann geh' mal zu Timon, er ist auf dem Dorfplatz. Ich glaube er kann dir genaueres sagen.", fordert mich Annus auf. Ohne lange zu warten hüpfe ich aus dem Bett und kleide mich schnell an. Ohne waschen und Zähneputzen sause ich an Annus vorbei, die das ausnahmsweise duldet und fliege direkt zum Dorfplatz. Dort steht Timon, mein Vater zusammen mit
Rejkan unserem Dorfältesten. "Hallo Timon!", rufe ich meinem Vater entgegen. "Hallo Sausemaus", begrüßt mich Timon - so nennt er mich aber nur sehr selten. "Annus sagte du hättest eine Erklärung für mich...ich meine für das was ich gestern sah.", teile ich mit. "Ja, das stimmt. Ich habe gerade mit Rejkan darüber gesprochen und wir sind uns einig.", erklärt Timon. Gespannt wie ein Bogen schaue ich die beiden an. "Und.. was war es?", frage ich.

Timon schaut zu Rejkan und der beginnt zu erklären..."Das war du gesehen hast war wahrscheinlich ein Kirjan..". "Kir was?", unterbreche ich ihn. "Kirjan!", ergänzt Rejkan. "Die Kirjan sind ein sehr altes Volk, das aus der Wüste stammt." Wieder unterbreche ich ihn. "Wüste...wo gibt es denn hier eine Wüste?". "Nun rede nicht laufend dazwischen.", bremst Timon mich aus, "Ich weiß ja, dass du neugierig bist". Ich zügele mich und lasse Rejkan weiter erklären. "Die Kirjan stammen aus der Wüste. Nur selten gehen sie auf reisen und noch seltener in unsere Gegend. Die sind strahlend weiß, haben vier Arme und drei Augen.

 

Die Kirjan sollen etwa zwei ein halb Meter groß werden. Soweit mir bekannt sind sie zwar schroff und eigensinnig aber nicht gefährlich wie die Hunark - solange man sie nicht herausfordert.", schließt Rejkan seine Erklärung. "Ich bin mal einem begegnet.", fährt Timon fort. Ungläubig schaue ich ihn an. "Es war vor einigen Jahren als ich in der Stadt Hir unterwegs war. Und um deine Frage zu beantworten...die nächste Wüste ist ewig weit weg. Darum sagte ich gestern auch dass da jemand eine lange Reise gemacht hätte.".
Nun kommt Rejkan wieder zu Wort. "Du brauchst also keine Angst zu haben...Wir fragen uns nur, was ein Kirjan hier tut - also hier im Wald. Das diese Wesen gelegentlich in Städten auftauchen wurde überliefert. Da er aber verschwunden zu sein scheint - können wir ihn nicht fragen."

Wieder sausen einige Gedanken durch meinen Kopf. Ich habe also etwas ganz seltenes gesehen und mich davor erschreckt.
Für die folgenden Tage spielt sich die Begegnung immer wieder mal in meinem Kopf ab, doch mit der Zeit lässt das nach und es bleibt die Neugier ob ich eines Tages mehr über dieses eigenartige Wesen erfahren werde.