Ich sitze da und schließe langsam die Augen.
Zunächst sind da noch helle und dunkle Flächen zu erkennen, doch die weichen nach und nach einem gleichmäßigen Schwarz.
Sanft lasse ich meinen Geist davon gleiten.
Die Wirklichkeit um mich herum verliert die Bedeutung, die sie eigentlich noch nie wirklich besessen hatte.
Dafür rückt eine andere Welt in den Vordergrund. Eine Welt, die es nur in meiner Fantasie gibt - in meinem Kopf - in meinen Gedanken.
~*~
2183. Das ist das Jahr, das wir heute schreiben. Was sich getan hat in der letzten Zeit? Eigentlich nicht viel. Das was zu Beginn der Zweitausender aufkam hat sich konsequent weiterentwickelt.
Neue Handys in immer kürzeren Abständen. Die Numerierung der Spielekonsolen ist inzwischen bereits dreistellig. Zeitungen, Zeitschriften und Bücher aus Papier werden schon einige Zeit nicht mehr
produziert - zum einen weil niemand sie mehr haben wollte und zum anderen weil Papier seit dem großen Baumsterben zu einem Luxusgut geworden ist. Heute liest man entweder auf E-Foiles -
dünne Plastikfolien, auf denen ein begrenzter Text gespeichert und angezeigt werden kann und die man nach der Nutzung einfach wegwirft oder auf E-Readern. Letztere sind natürlich noch dünner,
leichter und ausdauernder geworden als zu Beginn des Jahrhunderts.
Es gab auch schon Versuche mit Geräten, die direkt durch die Gedanken gesteuert werden und dahin zurück melden. Die ersten Versuche endeten aber mit einem Zuwachs von Patienten in den geschlossenen Anstalten. Angeblich sollen die Militärs was wirklich Lauffähiges haben, aber die bestreiten das. Die E-Foiles werden natürlich ohne Mineralöl hergestellt, denn das gibt es schon seit den Fünfzigern nicht mehr in nennenswerter Menge. "Leicht zersetzbare Kunststoffe - LzK" heißt das heute und bewirkt das die Müllabfuhr einer der sichersten Arbeitgeber neben den Bestattungsunternehmungsketten wie "BurnOut" oder "Seraphine" ist. Das hat wiederum aber auch damit zu tun das die, zu Beginn der Zweitausender prognostizierten der Bevölkerungszahlen sich als falsch herausgestellt haben. Die Wirklichkeit hat diese um den Faktor achthundert locker übertroffen.
Da gab es mal einen Science Fiction Film in dem man aufgrund der Überbevölkerung und des Ressourcenmangels heimlich die Menschen von den Straßen mit Baggern geholt und zu Essen in Tablettenform
verarbeitet hat (Soylent Green). Damals ein Skandal, eine finstere, makabre Vision. Heute ist das die Normalität. Aber nichts daran ist geheim - warum auch. Jeder weiß woraus die sogenannten
"Energizer-Tabs" gemacht sind. Je nach Herkunft der Rohmaterialien sind Geschmack und Qualität sehr unterschiedlich. Die Mindestversorgung wird aus den verwerteten Körpern der Drogenabhängigen,
Alkoholikern und Kranken hergestellt - die die halt so anfallen. Für die Tabs, die aus zuvor gesund gelebten Personen produziert werden, zahlt man ein Vermögen - und das haben im Regelfall nur
die, die sich auch ein "gesundes Leben" leisten können.
Autos? Gibt's auch heute noch.
Die fahren aber nicht mit Benzin sondern nur elektrisch oder mit Wasserstoffantrieb. Nahezu lautlos sind die. Und nachdem ausreichend viele Erwachsene und Kinder überfahren wurden, hat man vorgeschrieben, dass die Dinger künstlich Geräusche von sich geben müssen. Klingt die ein Schwarm Mücken, wenn man in der Stadt lebt. Apropos Stadt - wir sind hier in Hamburg. So wird die Stadt von den Einwohnern zumindest noch genannt. Offiziell heißt sie nur RFS5342e. Auf die Idee kam man nach der globalen Zusammenfassung aller großen Staaten und der Vergabe einheitlicher Schlüsselbegriffe - nachdem man Afrika, Iran, Irak und so mit künstlich erschaffenen Krankheiten gesäubert hatte um "die Gefahr unvorhersehbarer terroristischer Gefahren und Gedankengut zu bannen" - so der offizielle Text.
Ethisch nicht vertretbar? Das sahen die Staats- und Regierungschefs damals anders. Einfach gemacht haben sie es - ohne zu fragen. Das nennt man dann Demokratie - den Bürger vorgaukeln er habe
eine Wahl für irgend etwas und dann doch einfach machen was man für richtig hält. Dafür gibt es heute aber eine Wahlpflicht. Jeder Bürger muss wählen gehen. Wer das nicht tut bekommt eine Strafe.
Und über die implantierten Nummern, die jeder berechtigte Mensch auf der Welt bekommt ist eindeutig nachvollziehbar wer da war und wer nicht. Berechtigte Menschen - klingt eigenartig?
Das sind zunächst die, die offiziell irgendwo geboren und registriert werden. Alle anderen und diejenigen, die ihre Berechtigung zum Beispiel wegen eines Verbrechens verlieren, sind ausgestoßene.
Die kommen auf legalem Weg in kein Land, keine Stadt, keinen Laden - überall sind Sensoren, die die Implantate abprüfen. Natürlich gibt es hier eine Dunkelziffer und Leute, die versuchen das zu
umgehen. Letztlich hat das aber geholfen die Kriminalität extrem zu senken, was ja auch mal was gutes ist.
Doch zurück zur Stadt. 30.743.354 Einwohner wurden gezählt - natürlich nur die berechtigten und die Zählung dürfte sehr genau sein - die Chips halt. Aufgeräumte, glatte Straßen überall. 28 Grad
Celsius im November - der globalen Erwärmung und den Chinesen und Amerikanern sei Dank, denn die haben alle Zeichen der globalen Erwärmung erfolgreich über Jahrzehnte hinweg ignoriert und allen
"sehenden" vorgemacht wie man die Augen schließt.
~*~
Sonnenlicht spiegelt sich in den Glasfassaden der vielen Wolkenkratzer von RFS5342e und taucht die ordentlichen und weitestgehend sauberen Hauptstraßen der Stadt in ein goldenes, unwirkliches Licht. Die Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch die wenigen Wolken auf den Boden finden, schaffen bereits früh morgens angenehme 20 Grad Celsius. Tausende von Passanten bewegen sich auf den Bürgersteigen entlang wie Fischschwärme durch das Meer. Die Autos machen es ihnen nach, halten sich dabei aber peinlich genau auf dem vorgesehenen Untergrund.
Vor einem der imposant und repräsentativ entworfenen Bankgebäude surrt ein großes, dunkelgraues Elektroauto heran und kommt auf dem dafür vorgesehenen Seitenstreifen zum stehen. Die pneumatisch
betriebene Flügeltür der hinteren Reihe öffnet sich mit einem leisen Zischlaut und gibt den Blick auf das Wageninnere preis. Ledersitze, Echtholzapplikationen, ein Beistelltischchen mit einer
geöffneten Flasche Sekt und zwei benutzten Gläsern darauf. Er, Anfang vierzig, durchtrainiert, grau meliertes Haar ist gerade dabei die sündhaft teure Krawatte zu richten, die Sie ihm zum
Verlobungstag geschenkt hat. Der typische Business-Mann. Smart, gerissen, erfolgreich - und vermutlich über Leichen gehend. Sie schließt gerade den Reißverschluß ihres, von irgendeinem der
unzähligen Schicki Micki Designer stammenden Kostümrockes und lächelt ihn an. Sein leicht verschwitztes Gesicht zeigt rote Wangen. "Du wolltest doch Sport am Morgen", flüstert sie mit einem Hauch
von Erotik in ihrer Stimme und steigt aus. "Wir sehen uns heute Abend, Schatz!", ruft sie ihm zu.
"Denkst du bitte an die Unterlagen? Sind echt wichtig, aber das weißt du ja", antwortet er und legt damit erneut die Priorität auf das Geschäft und nicht auf die durchaus vorhandene Freude seine nachmodellierte, aber zweifellos perfekt gebaute Frau am Abend wieder zu sehen. "Stecke ich gleich ein", antwortet sie und dreht sich um - schließlich kennt sie ihren Mann schon eine Weile. "Steinzeit", murmelt sie vor sich hin und meint damit Zweifels ohne die Notwendigkeit das ein oder andere Geschäft auch heute noch echt unterschreiben zu lassen und nicht digital. Während die Tür des Fahrzeugs sich wieder schließt und mit leisem Surren davon gleitet, tastet sie ihre Handtasche ab, die passend zum beigen Kostüm vom selben Designer hergestellt wurde. "Das ist keine Tasche, Schätzchen.", hatte der beim Kauf abfällig gesagt und dabei seine rechte Hand abwinkend und tuntig gewedelt, "Das ist eine harmonisierte Applikation". Ihre Finger huschen über den großen, gelben Umschlag mit den Unterlagen und ziehen ihn hervor.
Zielsicher und Selbstbewußt geht Sie auf einen der Postkästen zu, die vor dem Bankgebäude stehen. Die gelbe Farbe und die Kastenform von damals ist erhalten geblieben. Allerdings werden die
Kästen inzwischen maschinell geleert. Als sie noch wenige Schritte von dem Postkasten entfernt ist, rollt einer der Entleerungsautomaten an den Kasten. Knapp einen Meter hoch und auf einem
Raupenantrieb gelagert erreicht der, etwas plump und unbeholfen wirkende, gräulich, metallene Roboter den Kasten, fährt seinen mechanischen Arm aus, positioniert den, aus künstlichem Hanf
hergestellten Auffangbehälter unter die Schüttvorrichtung. Nun entriegelt er diese und der Inhalt des Postkastens rutscht hinab. Dabei dreht er seinen Kopf im Kreis und verkündet mit lauter,
künstlicher Stimme: "Und wieder eine pünktliche Abholung. Die Global Post. Schnell. Preiswert. Effizient.".
"Darf ich meinen noch mit dazu legen?", fragt sie und wedelt dabei mit den Unterlagen. Die Roboter schaut sie an. Seine toten, leeren Kameraaugen scheinen durch sie hindurch zu sehen. Sie kommt
vor dem Roboter zum stehen. Einen Augenblick passiert nichts. Dann paßt der Roboter seinen Kamerafokus surrend an die nun viel näher stehende Frau an und sagt: "Gerne Mylady". Sie legt den
Umschlag mit den wichtigen Unterlagen in den Behälter. Ohne ein weiteres Wort dreht sie sich um und verschwindet in Richtung Bankeingang. Sie ist bereits längst außer Hörweite als der Roboter den
Behälter schließt und mit einem leisen "Danke" die fehlende Antwort der Frau nachholt. Aber warum sollte man zu Maschinen schon höflich sein?
In diesem Moment taucht eine kleine Gruppe von Jugendlichen auf. Fünf bis sechs Rotzbengel, die mit ihrer Zeit nicht viel anzufangen wissen außer Unsinn zu machen. Andere anrempeln. Den Gemüse
Händlern die Waren von der Auslage reißen. Hier und da mal ein paar Credits erhaschen. Berechtigt sind die trotzdem, denn ihre Eltern haben genug Geld. Genug dafür, dass niemand sich beschwert.
Genug dafür, dass die City-Forces sie nicht so hart rannehmen. Tänzelnd und lachend hüpfen, brüllen, albern sie um den Roboter herum und werfen sich gegenseitig eine Damenhandtasche zu, die sie
irgendwem gerade abgenommen haben.
Der Roboter versucht die Riegen zu durchbrechen ohne mit jemanden zusammen zu stoßen - er hat schließlich noch weitere Termine und Pünktlichkeit ist Vorgegeben. "He Mülleimer!", ruft der eine.
Etwa siebzehn, schwarzes, strubbeliges Haar, schlank. "Habt ihr das gesehen, der hat mich angerempelt!". "Entschuldigung, Sir, ich habe sie nicht berührt", gibt der Roboter monoton und
gefühlskalt von sich. "Sollst du lügen, Eimer?!", schreit der Junge ihn an. "Das tut mir Leid, Sir", kommt ihm entgegen. "Das will ich aber auch meinen". Der Junge stößt den Roboter von sich weg.
Dann fällt sein Blick auf den Behälter. Flink die eine Mücke greift er wahllos in den Sack und zieht den Umschlag mit den Unterlagen hervor. "Was haben wir denn da?", fragt er in die Menge.
"Bestimmt Liebesbriefe von deiner Tante Trude an ihren Lover", albert einer der anderen. Er ist eher klein und unscheinbar. Eindeutig einer von denen, die immer dazu gehören wollen und dafür
jeden Weg wählen. "Schnauze, du Penner", lautet die Antwort.
"Sir, das ist nicht Ihre Post, Sir. Bitte geben Sie sie zurück. Wir sind ein Unternehmen, das...", Erklärt die Maschine, doch der Junge hört nicht zu. Ebenso albernd wie sie kamen, zieht sich die
Gruppe wieder zurück. "...gehört auch die Zuverlässigkeit, Sir", endet der Roboter. Seine Software, sein Gehirn versteht genau was passiert ist. Ein Brief ist verschwunden, das wird SEIN Rating
senken. Er wird als unzuverlässig gelten, dabei hatte er niemanden angerempelt. Sofort startet eine Subroutine, die eine Verbindung zum Zentrallager herstellt um den Vorfall zu melden -
schließlich ist die Global Post gut versichert, denn so etwas passiert immer wieder. Die Wirklichkeit und die Werbung waren auch schon vor Tausend Jahren nicht dasselbe. Trotzdem identifiziert
sich der Roboter mit seiner Aufgabe und wenngleich alles in ihm nur Zahlen sind, hat er dennoch den Anspruch alles richtig zu machen. Routine "XS_SEND_PRECON_A" angehalten, meldet das
Betriebssystem. Man mag sich täuschen, aber die Kameraaugen des Roboters wirken anders als zuvor, als die Frau den Umschlag abgegeben hatte, während der Postentleerungsautomat GP-AS-312-4-a auf
seinen Raupenantrieb hinter den Jungen her fährt.
"War cool, wie die Alte gejammert hat.", sagt einer der Jungen ehrfurchtsvoll und aufblickend zu dem Anführer. "Will ich auch meinen", gibt dieser Patzig zurück, legt deinen Kopf in den Nacken,
wirft sich gekonnt eine Energizer-Tab in den Mund und dreht sich um. Es ist mittlerweile Nacht geworden. Die Jungen sind, nachdem sie den ganzen Tag wie eine Katze durch die Gegend gestreunt
waren, in ihrem kleinen Versteck, einem Kellereingang in einer kleinen und verlassenen Nebenstraße eines hinter- Hinterhofs angelangt. Mit erhobenem Haupt zieht sich der Anführer der Bande
zurück.
Er kennt die Gegend gut und gelangt gekonnt und Zielsicher zwischen herumliegenden Kisten, Reifen und Holzresten an die Stelle, an der er sein E-Ped abgestellt hat. Ein Elektro-Zweirad, das den
Motorrädern aus dem zwanzigsten Jahrhundert nachempfunden wurde. Er hatte den ganzen Tag über nicht bemerkt, das stets Augen auf ihn gerichtet waren, das er und die anderen verfolgt wurden. Wer
achtet schon auf irgendeinen dämlichen Postroboter. Doch nun zuckt er zusammen - da war ein Geräusch.
Er dreht sich gar nicht erst um damit er nachsehen kann ob das jemand ist. Er weiß, dass da jemand ist, denn er wurde oft genug von den City-Forces verfolgt und hat sich einen Spaß daraus gemacht
sie möglichst lange hinzuhalten. Wohlwissend, das sie ihn im Anschluß wieder gehen lassen würden. Mit einem geschmeidigen Satz verschwindet er hinter einem Stapel Paletten und verschmilzt mit den
Schatten. Er lauscht. Lauscht angestrengt. Doch er kann keine Schritte, ja nicht einmal ein Schleichen hören.
Und er hat gute Ohren.
Man muss aber das Richtige suchen um das Richtige zu finden. Nach dem deaktivierten Geräuschmechanismus der Maschine könnte er lauschen so lange er wollte - wenn er denn danach lauschen würde.
Doch das tut er nicht. Ebenso wenig auf das kaum wahrnehmbare sirren der mehrfach gedämmten Elektromotoren und den, mit Gummi überzogenen Raupenketten, die auf dem sandigen Untergrund sowieso
keinen Laut von sich geben.
Einen Augenblick verharrt er im Schatten wie ein Insekt. Dann atmet er durch und mach einen Schritt auf sein E-Ped zu. Plötzlich überkommt ihm ein ungutes Gefühl. Das Gefühl von Bedrohung,
von Angst.
Vorsichtig dreht er sich um.
Kalte, mechanische, tote Kameraaugen blicken ihm entgegen. Einen kurzen Moment ist er starr vor Schreck, doch dann fällt die Körperspannung von ihm ab. Nur ein bescheuerter
Postroboter....puh...warum aber eigentlich?...warum hier?...warum DER?
In dem Moment nimmt er wahr, wie der mechanische Arm der Maschine sich ihm entgegen streckt. Etwas Glitzerndes ist in den Hand zu sehen. Eine Glasscherbe. Davon gibt es hier im Hinterhof dutzende
- warum kommt er sich bedroht vor? Aber was macht der mit der Glasscherbe? Was?!. Sein Blick bleibt auf der Scherbe haften wie ein Magnet.
Wie in Zeitlupe kommt ihm vor, was in Wirklichkeit exakte 2,337 Sekunden dauert. Der Arm mit der scharfkantigen, grünen Glasscherbe, die vermutlich von irgendeinem Liebespärchen, das zu viel Sekt
getrunken- und dabei die Flasche zerbrochen hatte, übrig geblieben ist, gleitet auf ihn zu. Ein leichter Stich ist zu spüren, als die Scherbe auf Höhe der linken Niere in seinen Bauchraum dringt.
Noch ehe der Schmerz deutlich wird, bewegt sich die Scherbe nach rechts auf die andere Seite seines Unterkörpers und hinterläßt dabei einen Schnitt, eine Öffnung durch die ein Fußball gepaßt
hätte. Blut spritzt in alle möglichen Richtungen. Schmerz ist immer noch nicht da. Aber Schock!
Der Roboter schiebt seinen Auffangbehälter bis an den nun offenen Unterleib desjenigen, dessen Kreislauf gerade zusammenbricht und der in wenigen Mirko Sekunden zweifelsfrei sterben wird. Der
zweite Arme greift in den Bauchraum des Jungen und zieht die Eingeweide heraus. Wie die Briefe zuvor fallen die Därme, die abgerissene Leber und andere blutige Organe in den Sack aus künstlichem
Hanf und klatschen dort auf den Boden wie nasse Wäsche. Leblos sacken die Reste des Jungen auf den, von Pfützen überzogenen Boden und tauchen das schmutzige Wasser in sanfte Rottöne. Dabei tritt
der Briefumschlag aus der Innenseite der Jackentasche hervor.
Die Maschine wischt den Greifarm am oberen Ende des Pullovers sauber so gut es geht um den Umschlag nicht zu beschmutzen und greift ihn. Ohne ein Wort, denn warum sollte man zu einem Toten
höflich sein, dreht sich die Maschine um und fährt davon.
Aus der Distanz kann man noch Worte von der, sich entfernenden Maschine hören: "Und wieder eine pünktliche Abholung. Die Global Post. Schnell. Preiswert. Effizient.".
~*~
Lediglich die automatische Radiostimme des staatlichen Radiosenders am nächsten Tag "...die Zahl der Toten aus der gestrigen Nacht somit bei 544..." ist die einzige Stelle an der dieses
Geschehen überhaupt wahrgenommen wird - aber wer hört denn den schon?
Am nächsten Tag erreichen die Gesetzesentwürfe für die Ausweitung der Handhabbarkeit und Automatisierung künstlicher Intelligenz diejenige Stelle, an der sie noch am selben Tag beschlossen werden
- größerer Horizont, mehr Möglichkeiten.
Zu denen gehört der Postentleerungsautomat GP-AS-312-4-a auch - eine Maschine.
Sie wird nicht dafür belangt werden, denn wer sollte gegen wen klagen.
Sie wird aufgrund ihres nicht geschafften Postpensums am Rating verlieren.
Sie wird die Welt an sich nicht ändern.
Aber Sie hat Gerechtigkeit hergestellt...oder?