Hoppel sucht die Ostereier

Irgendwo am Rand einer großen Stadt liegt ein Haus und zu diesem Haus gehört ein kleiner Garten. Nun ja winzig ist er nicht aber eben auch nicht riesig – überschaubar halt. In diesem Garten gibt es etwas Rasen und einige Blumenbeete, einen Kirschbaum und einige Büsche.

In diesem Garten wohnen die beiden Schnecken-Geschwister Felix und Felicia. Beide gehören zu denjenigen Schnecken, die stets ein Schneckenhaus mit sich herumtragen und beide sind noch sehr jung. Nun musst du wissen, dass Schnecken sowieso nicht so alt werden wie du aber im Vergleich zu uns Menschen sind diese beiden etwa fünf Jahre alt.
Mancher behauptet vielleicht, dass Schnecken einfach nur langweilig dahin schleichen, doch das stimmt nicht, denn eine Schnecke ist ja viel kleiner als wir und wenn sie vorwärts kriecht ist das für sie schnell genug – und erleben können Schnecken auch etwas … pass mal auf.

 

Bunte Schmetterlinge vollführen ihre verrücktesten Flugmanöver und akrobatischsten Leistungen überhaupt. Die Frühlingssonne der letzten Tage schubst die Welt sanft aus ihrem winterlichen Schlaf der vergangenen Monate. Felix und Felicia sitzen, wie so oft auf der grünen, saftigen Wiese und frühstücken. Dies heute jedoch erheblich später als sonst. Naja, auch Schnecken müssen mal ausschlafen. „Herrlich.“, findet Felicia und beobachtet weiterhin die tanzenden Wesen am Himmel. „Und die Farben erst.“, ergänzt Felix, „Ich möchte auch mal gerne fliegen.“. „Bist du doch schon.“, gibt Felicia schnippisch zurück und erinnert an den nicht so schönen Moment, an dem Felix von einem großen Vogel entführt und quer durch die Luft zu dessen Nest geschleppt wurde. „Felicia, da hatte ich Angst um mein Leben. Es blieb mir keine Sekunde die Aussicht oder dieses Schweben zu genießen.“, gibt er patzig zurück. „Mir würde schlecht werden, denke ich.“, Meint Felicia und folgt mit ihren Stilaugen einem besonderen Schmetterling, der immer und immer wieder Loopings dreht. Felix schaut sie an und in dem Moment, als Felicia sich mit ihren Stilaugen verheddert und verknotet, muss er laut losprusten. „Hi hi, du hast dich verknüddelt.“, sagt er. Felicia ordnet ihre beiden Stilaugen wieder und blickt Felix mit schwankendem Kopf an. „Das dreht sich alles.“, lallt sie.

 

Die Sonne steigt langsam weiter am Himmel empor. Die beiden Schnecken kriechen langsam an die Hecke heran und gerade als sie auf einem großen, hellgrünen Blatt Platz genommen haben, hüpft wie aus dem Nichts ein schneeweißer Hase über die niedrige Hecke hinüber und landet mitten auf der Wiese des kleinen Gartens. „Ein Hase!“, ruft Felicia erfreut aus, „Ui, wie schön sein doch Fell glänzt, in der Sonne.“. „Ja, ja, aber was macht er da nur?“, möchte Felix wissen, denn der Hase verhält sich irgendwie…anders. Normale Hasen sitzen gemütlich auf der Wiese, fressen etwas Grünzeugs oder sie hüpfen umher und spielen miteinander, aber dieser Hase rast förmlich von einem Busch zum Nächsten. Vom Baum zur Hecke, zur Terrassentür der Menschen, zur kleinen Regentonne und überall schaut er neugierig hinter jedes Blatt und in jeden Winkel. Verwundert verfolgen Felix und Felicia das Geschehen. „Ein Rennhase vielleicht?“, mutmaßt Felix. „Ein Suchhase?“, findet Felicia. „Ich hab’s, er wurde von einer Biene gestochen!“, meint Felix nun. Dann führt der Weg den Hasen bis zu den Schnecken hin. Unwirsch schnüffelt er unter dem Blatt, auf dem die beiden sitzen.


„He!“, ruft Felicia, als der Hase die beiden fast mit seinen langen, plüschigen Ohren hinunterwirft.“. Der Hase stoppt und schaut beide an. „Ey, sorry Leute, wollte Euch nicht erschrecken. Hab’s nur eilig.“, plappert der Hase schnell und sucht weiter. „Was machst du denn da überhaupt?“, fragt Felicia. Der Hase stoppt erneut. „Suchen.“, sagt er knapp, „Ich… suche.“. „Und was suchst du bitte?“, stochert nun Felix weiter. „Gesehen habe ich dich hier auch noch nicht.“, fügt Felicia hinzu. „Das liegt daran, dass ich nur Aushilfe bin.“, erklärt der Hase, „Jonathan, der sonst für diese Gegend zuständig ist, hat Pfotenfieber und da musste ich halt einspringen. Generell sind wir ja eh nur zu Ostern hier, aber das wisst ihr ja bestimmt.“.
„Pfotenfieber?“, murmelt Felix. „Ostern?“, gibt Felicia hinzu. Der Hase sieht ein, dass er einem Gespräch mit den beiden Schnecken nur ausweichen könnte, wenn er unhöflich einfach davonrast, aber Hasen sind anständige Tiere und so nimmt er sich die Zeit und erklärt. Ganz ausführlich.


Er atmet dreimal tief ein, schnüffelt dicht an die Schnecken heran und beginnt:

„Entschuldigung, ihr beiden. Ich bin Hoppel, der vorstehende Bezirkshase aus Niendorf.“, sagt er langsam. „Hallo Hoppel, ich bin Felix.“, sagt dieser. „Ach, wie süß.“, meint Felicia nur und deshalb stellt Felix seine Schwester vor. „Das ist Felicia, meine Schwester.“, erklärt er. „Was macht ein vorstehender Bezirkshase?“, fragt Felicia neugierig. „Schön, Euch kennen zu lernen.“, meint Hoppel, „Kennt ihr nicht den Menschenbrauch, der sich Ostern nennt?“. „Wir hatten mit den Menschen schon zu tun, aber was Ostern ist, kann ich dir nicht sagen.“, stellt Felix fest und auch Felicia, die sonst alles Mögliche weiß, kann diesmal nichts beisteuern.


„Ostern ist ein Feiertag bei den Menschen. Da verstecken wir Hasen für die Kinder im Garten Naschereien und Eier aus Schokolade. Die müssen die dann suchen. Ein riesen Spaß für die Kinder. Ich als vorstehender Bezirkshase sorge dafür, dass alle meiner Freunde und Helfer dabei auch kein Kind vergessen, denn das wäre ziemlich gemein.“, informiert Hoppel.
„Ach so ist das. Deswegen hängen die Menschen dann auch bunte Eier als Schmuck in die Büsche, oder?“, fragt Felicia nach, die schon vor einigen Tagen gesehen hatte, dass auch der Garten in dem sie sich befinden geschmückt wurde. „Genau.“, kommt prompt von Hoppel zurück,“ Dummer weise ist mein Freund Jonathan gestern krank geworden. Da in diesem Haus auch ein kleines Menschenmädchen wohnt, muss ich einspringen und die Eier für ihn verstecken.“. Felix schaut Hoppel von Kopf bis Fuß an. „Wo sind denn diese Eier, die du verstecken möchtest?“, fragt er neugierig.

 

Hoppel wird schlagartig traurig. „Das ist ja das Problem.“, schnieft er, „Er hat mir gesagt, wo er sie hingelegt hat, aber da sind sie nicht.“. „Das schreit nach einem Auftrag für: tatatadaaa Felix und Felicia, die Allesfinder!“, tönt Felicia. „Seid ihr so etwas wie Detektive oder Geheimschnecken?“, vermutet Hoppel. „Ja, so in der Art.“, sagt Felix und rollt mit den Augen, weil seine Schwester mal wieder ein wenig übertrieben hat. „Wo sollten die Eier denn sein? Kann es sein, dass das Mädchen die schon gefunden hat?“, hinterfragt Felicia. „Dort hinter dem kleinen Gartenhaus hatte er sie abgelegt. Ich glaube nicht, dass das Mädchen die schon gefunden hat, denn es schläft noch. Aber jeden Moment kann es aufwachen und ratet, was das erste sein wird, was sie tun will.“, erklärt Hoppel. „Ostereier suchen!“, sagen Felix und Felicia wie aus einem Munde. „Dann muss jemand anderes die Eier haben, ist doch klar.“, kombiniert Felicia, „Aber wer?“. „Es ist egal wer sie genommen hat.“, stellt Felix fest, „Wir müssen lieber herausfinden wo sie jetzt sind.“.


Wie nur wollen sie das auf die Schnelle herausfinden. „Fliegen müsste man können.“, meint Felix erneut. „Das hatten wir doch schon.“, meckert Felicia. „Nein. Du verstehst mich nicht.“, fährt Felix fort,“ Wir brauchen jemanden, der fliegen kann. So weit können die Eier doch nicht fort sein und aus der Luft kann man die Gegend gut absuchen.“.
„Da hat er Recht.“, meint Hoppel, „Wir Hasen haben es mit dem Fliegen aber nicht so.“.
„Aber Lilu!“, fällt es Felicia ein, „Sie ist eine Freundin von uns. Wir fragen sie einfach um Hilfe.“.


So geschieht es. Lilu ist eine Blaumeise, die Felix und Felicia kürzlich kennenlernten. Doch die wohnt, wie es sich für eine Meise gehört hoch oben in einem Baum. „Bis wir da oben sind, brauchen wir Weihnachtsgeschenke und keine Ostereier.“, bemerkt Felix, als er den Baum emporblickt, auf dem Lilu lebt. „Ich habe Höhenangst.“, gibt Hoppel zu. „Ich nicht. Ich habe vor fast gar nichts Angst.“, plappert es schnell wie das Trappeln von Tausendfüßler Beinen hinter den Dreien. „Wilbour!“, ruft Felicia erfreut. Wilbour ist eine Feldmaus, die die beiden auch kennen. Er ist gut darin immer dann zur Stelle zu sein, wenn man ihn braucht – und so ist es jetzt auch. „Wilbour, wir haben leider keine Zeit für lange Worte. Kannst du Lilu holen und zu uns schicken?“, fragt Felicia. „Kann ich. Mach ich. Bin schon weg!“, schnattert er und saust den Baum empor. Hoppel staunt nicht schlecht, als er sieht wie geschwind die Feldmaus in die Höhe saust.

 

Sechs Schneckenatemzüge später landet Lilu bei den anderen. Wilbour ist auch wieder dabei. In knappen Worten beschreibt Felicia, was zu tun ist. „Die Eier sehen aber nicht ganz so wie Hühnereier aus.“, beschreibt Hoppel noch, „Sie sind aus Schokolade oder Zucker und in buntem Glitzerpapier eingepackt. Etwas kleiner sind sie auch, damit die Kinder sich nicht daran verschlucken.“. „Blaumeisen Suchstaffel eins bereit zum Start.“, meldet Lilu und schwingt sich in die Lüfte. Die anderen sehen vom Boden aus zu wie Lilu mehrmals ihre Kreise über dem Garten zieht. Dann landet sie etwas erschöpft. „Und?“, fragt Felix erwartungsvoll. „Noch nichts, aber ich werde jetzt auch die Gärten in der Nähe mit ansehen.“, piepst Lilu und startet erneut. Wieder zieht sie ihre Bahnen, die dieses Mal jedoch weiter ausfallen. Dann plötzlich geht sie in einen Sturzflug über und verschwindet aus dem Sichtfeld der anderen irgendwo in einem der Gärten in der Nähe. Einen Augenblick später schießt sie wieder hinauf hoch und immer höher, dreht einen Looping und kehrt zu den Wartenden zurück. „Die Schmetterlinge können es nicht besser.“, stellt Felicia fest, die sich erneut die Augen verknotet hat. „Gefunden!“, trällert Lilu ganz aufgeregt, „Zwei Gärten weiter befindet sich ein kleiner Teich. Dort sitzt Berta, die dicke Ente. Um sie herum liegen viele bunt glitzernde kleine Eier.“.
Sofort machen sich alle auf den Weg. Felix und Felicia dürfen bei Wilbour auf dem Rücken mitreisen, denn sonst würden sie alle anderen ausbremsen.

 

„Besuch.“, freut sich Berta, die dicke Ente, als sie die anderen entdeckt. „Hallo Berta.“, sagt Wilbour ganz außer Atem und das ist für eine Verhältnisse sehr sehr knapp gesprochen.
„Sag mal, Ente, wo hast du diese Eier her?“, möchte Hoppel wissen. „Ach die.“, erklärt sie, „Ich fand sie dort hinten. Sie glitzerten so schön und da niemand da war, dem sie zu gehören schienen, brachte ich sie hierher. Ich wollte schauen, was schönes aus ihnen schlüpft, wenn ich sie ausgebrütet habe.“.
„Ausgebrütet?“, japst Hoppel, „Die sind aus Schokolade. Die Schmilzt und wird weich, wenn man sie wärmt.“. „Das habe ich auch bemerkt, als ich damit anfing.“, gibt Berta zu, „Drei habe ich wohl ruiniert.“.


Felicia schaut sich um. „Es sind aber ja noch ganz viele da. Drei weniger bemerkt das Mädchen bestimmt nicht.“, findet sie. „Das mag sein.“, sagt Hoppel traurig und schaut zum Haus des Mädchens hinüber, „Aber das Mädchen ist gerade aufgestanden. Seht doch nur, die Gardinen sind nun offen. So viele Eier jetzt noch verstecken, das schaffe ich nicht.“. Felicia grinst breit. „Du alleine nicht, aber dafür sind Freunde da.“, erklärt sie.

Als das kleine Mädchen noch vor dem Frühstück in den Garten läuft um die Ostereier zu suchen, merkt es nichts davon, dass dieses Mal nicht nur der Osterhase, sondern auch eine Ente, eine Feldmaus, die Blaumeisen Suchstaffel eins und zwei Schnecken daran beteiligt waren diese zu verstecken.

„Das war gerade noch rechtzeitig.“, sagt Felicia zufrieden.
„Genau.“, stimmen die anderen mit ein.